Umgang mit Daten zur Qualität von Studium und Lehre zwischen Leistungsbewertung und Erkenntnisinteresse. Eckpunkte einer wissenschaftsgeleiteten Qualitätsentwicklung

Autor(en) Ditzel, Benjamin
Dokumententyp Buchkapitel
Herausgeber Pohlenz, Philipp; Mitterauer, Lukas; Harris-Huemmert, Susan
Titel des Buches Qualitätssicherung im Student Life Cycle
Erscheinungsjahr 2020
Verlag Waxmann
Adresse Münster
Seiten 227-242
Zusammenfassung

Qualitätsmanagement (QM) an Hochschulen bewegt sich im Spannungsfeld unterschiedlicher Steuerungslogiken. Ausgehend von gesellschaftlichen Anforderungen der Rechenschaftslegung und im Umgang mit externen Verfahren der Qualitätssicherung (QS) auf der Makroebene der Hochschulsteuerung haben Hochschulen Praktiken der Leistungsmessung etabliert (Ruppert 2017; Schubert 2008) sowie Strukturen und Prozesse des hochschulinternen QM aufgebaut. Diese Bewältigung von Anforderungen der Accountability überlagert sich auf der Mesoebene der Organisation mit einer evidence-based mentality (Beerkens 2018, S. 283). Danach werden Informationen bereitgestellt, um die Effektivität ergriffener Maßnahmen zu verstehen und steuernd im Sinne einer informierten Entscheidungsfindung in das Handlungsgeschehen einzugreifen. Mit Bezug auf die Mikroebene der Handlungspraxis steht die Frage im Vordergrund, wie Veränderungsprozesse im Sinne von Qualitätsentwicklung (QE) angestoßen werden bzw. ablaufen.

In der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit diesen Entwicklungen kristallisieren sich zwei Fragestellungen als entscheidend heraus für eine Forschung und Praxis, die sich mit kontextadäquaten Formen des QM bzw. der Hochschulsteuerung auseinandersetzt. Zum einen geht es darum, wie es gelingen kann, Forschungsorientierung nicht nur als selbstverständlichen Bestandteil in QM-Praktiken zu integrieren (Schmidt 2010), sondern QS/QE/QM als integrativen Bestandteil des Wissenschaftsbetriebs zu verstehen und damit eng an wissenschaftliche Handlungslogiken zu koppeln (Ditzel 2017). Zum anderen ist zu klären, wie unterschiedliche Steuerungslogiken – wie die Sicherstellung von Accountability, eine evidenzbasierte Hochschulsteuerung oder das Befördern von Lernprozessen – aufeinander bezogen bzw. ausbalanciert werden können (Danø/Stensaker 2007). Genau diesen Fragen des Ausbalancierens der Logiken und des Stärkens der Forschungsorientierung widmet sich der Beitrag. Anders als sowohl im praktischen wie auch im theoretischen Diskurs üblich, werden dabei weniger die erforderlichen Instrumente und Prozesse in den Blick genommen. Vielmehr geht es darum, ausgehend von den dahinter liegenden Steuerungslogiken eine konsequente Forschungsorientierung zum Leitparadigma der Gestaltung von Systemen und Praktiken des QM zu erklären.

Im Beitrag werden zwei mögliche Handlungsfelder einer derart forschungsgeleiteten QE skizziert:

(1) Modellgeleitete Gestaltung und Evaluation von Rahmenbedingungen der Entstehung von Qualität: In einem ersten Schritt greift ein derartiges QM auf vorhandene Wissensressourcen zurück. Im Sinne theoriegeleiteter Wirkmodelle (Albrecht 2011; Pohlenz/Niedermeier 2012) wird ein Verständnis dafür entwickelt, welche Einflussgrößen und Dynamiken auf die Qualität von Studium und Lehre wirken. Diese Wirkmodelle können auf einer Reflexion implizit der Handlungspraxis innewohnender oder aus der Forschung abgeleiteter Wirkungsannahmen basieren (Wachsmuth/Hense 2016). Sie können als Orientierungspunkt dienen, die Rahmenbedingungen der Entstehung von Qualität zu gestalten und gleichzeitig die Instrumente, mit denen die Qualität und die Rahmenbedingungen ihres Entstehens in den Blick genommen werden, auf relevante Gestaltungsaspekte zu fokussieren.

(2) Theoriegenerierende Interpretation qualitätsbezogener Daten und Informationen: Die auf diese Weise bereitgestellten Daten zur Qualität von Studium und Lehre werden bei einer forschungsgeleiteten QE zwar auch in aggregierter Form zu manageriellen Zwecken der Lenkung von Aufmerksamkeit und der Unterstützung von Entscheidungsprozessen genutzt. Eine intelligente (Hood 2012) und kontextsensible (Ditzel/Suwalski 2016) Form des Umgangs mit diesen Daten bedeutet aber in erster Linie, sie als Ausgangspunkt anzusehen, beobachtete Auffälligkeiten als Qualitätsprobleme bewerten zu können und zugrundeliegende, jeweils kontextspezifische Zusammenhänge und Wirkmechanismen zu verstehen. In diesem Sinne können Daten aus Erhebungsverfahren – ganz im wissenschaftlichen Sinne verstanden als angewandte Forschung – dazu dienen, neue Theorien über Wirkungszusammenhänge im Bereich Studium und Lehre zu entwickeln, vorhandene zu reflektieren, ggf. zu revidieren und damit zu, die Handlungspraxis reflektierenden, Prozessen organisationalen Lernens (Cendon 2016; Schön 1983) beizutragen.

ISBN 978-3-8309-4183-5
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